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Eine zweite Chance für Basi

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Es war einmal ein Mann, der wollte einen schönen, stattlichen Rottweiler. Er erfuhr von einem in Deutschland, der zum Verkauf stand. Den bestellte er sich. Die Übergabe fand an einem stark frequentierten, grossen Bahnhof statt. Überall Menschen in Bewegung auf engstem Raum. Gedränge. Lärm. Hektik. Bereits durch die Reise gestresst, steigerte sich die Anspannung des Hundes durch das Bedrängtwerden und die ungewohnte Situation von Minute zu Minute. Das merkten Verkäufer und Käufer nicht – bis der Hund nach einem Passanten schnappte. Er blieb unverletzt. Der Beissvorfall wurde gemeldet. Der Hund musste fortan einen Maulkorb tragen.

Nun hatte der Mann nicht nur einen schönen, stattlichen Rottweiler, sondern auch eine Arbeit, zu der er den Hund nicht mitnehmen konnte. Aber er hatte auch eine Frau, und der überliess er es, sich tagsüber um den Hund zu kümmern. Die Frau, ein Mensch von eher zarter Statur, tat ihr bestes. Und innerhalb von Haus und Familie kam man gut miteinander klar, der Hund gehorchte ihr einigermassen und war ein anhänglicher und verschmuster Zeitgenosse. Draussen aber war die Frau unsicher. Trotz des Maulkorbs. Sie hatte dem kräftigen Hund körperlich nicht viel entgegen zu setzen und fürchtete, ihn im Zweifelsfall nicht halten zu können. Und Zweifelsfälle gab es aus ihrer Sicht unterwegs einige: Der Hund hatte ein Problem mit Artgenossen und warf sich bei ihrem Anblick in die Leine. Aus der Sicht des Hundes wiederum gab es hier einen Menschen, der nervös und ängstlich wurde, der sich bedroht und unsicher fühlte, sobald sie gemeinsam aus dem Haus gingen. Also musste der Hund Verantwortung und Führung übernehmen, für Sicherheit sorgen. Für seine und die des Menschen. Damit war der Hund grob überfordert, das zeigte sich in einer Leinenaggression. Und darin, dass er Fremde im Haus stark kontrollierte. Beides steigerte die Unsicherheit der Frau. Zuviel wurde es ihr dann, als sich der Hund auf einem Spaziergang unbedingt einem Kinderwagen nähern wollte. Sie konnte nicht einschätzen, warum er das wollte, vielleicht nur aus Neugier, aber wer weiss, sie war sich nicht sicher. So oder so: sie hatte genug, konnte nicht mehr, war – wie der Hund – mit der ganzen Situation überfordert. Sie rief den Tierarzt an, erzählte ihm die ganze Geschichte. Worauf der Tierarzt auf das Gehörte hin befand, dass der Hund einzuschläfern sei. Es wurde ein entsprechender Termin vereinbart. Dann kamen der Frau jedoch Zweifel, denn sie hing auch an diesem Hund, dem verspielten, anhänglichen Mitbewohner, der er in den eigenen vier Wänden war. Und sie rief den TierRettungsDienst an.

Am Donnerstag letzter Woche ist Basi bei uns mit seinen beiden Lieblingsstofftieren eingezogen.

Und am Freitagmorgen hatte ich bereits ein Mail von Christine, der Leiterin des Pfötli, “im Kasten”, in dem sie mir den Neuen in Bild und Text ankündigte: “Hier ein ein kleiner Vorgeschmack für’s Wochenende, ich bin sicher, ihr werdet Euch gut verstehen;-)” und : “und ich freue mich ihn Dir vorzustellen…..!…” Und: “Du wirst Dich auch verlieben in den kleinen (50kg;-)) Knuddelbär!!”. Was aber hatte Chrigi dazu bewogen, einen Hund mit dieser Vorgeschichte ins Pfötli zu holen? 

Chrigi, warum wolltest du Basi eine Chance geben?
Weil er es schlicht verdient hatte! Beim ersten Hinhören entsprach Basis Geschichte ja zunächst total dem Bild, das die breite Öffentlichkeit von einem Rottweiler heutzutage hat: Beissvorfall, Maulkorbpflicht, geht auf einen Kinderwagen los. Bei genauerem Nachfragen kamen dann nach und nach aber wesentliche Informationen zutage, aufgrund derer mir relativ schnell klar war, dass wir es hier auf keinen Fall mit einem grundsätzlich gefährlichen oder gar “bösartigen” Hund zu tun haben. Basis Verhalten war in Anbetracht der situativen und allgemeinen Umstände nachvollziehbar und im Rahmen des Normalverhaltens eines Hundes durchaus erklärbar. Das heisst, unter den selben Bedingungen würden viele Hunde genauso reagieren. Natürlich sind die Auswirkungen bei einem Dackel anders als bei einem Rottweiler von 50 Kilo. Genau deshalb war es aber wichtig herauszufinden, ob ich es verantworten kann, diesem Hund eine Chance zu geben. 

Soweit du das bis jetzt beurteilen kannst, wie würdest du ihn einschätzen?
Wenn ich Basi in einem Satz beschreiben müsste: Ein sehr anhänglicher, verspielter und noch sehr jugendlicher, teils unsicherer Wirbelwind, gefangen in einem etwas übergewichtigem Rottweilerkostüm.

Was passiert jetzt weiter mit ihm?
Nach den Schilderungen der Vorbesitzer und unserer bisherigen Einschätzung, ist Basi in seinem sozialen Verband, also seinem “Rudel”, ein sehr unkomplizierter, sozialkompetenter und angenehmer Zeitgenosse. Einer, der seinem Alter entsprechend seine und die Grenzen seiner Sozialpartner herauszufinden versucht. Scheinbar gibt es für ihn einen Grund, sich und seine Familie in einzelnen Situationen zu verteidigen. Unsere Aufgabe ist es nun erstmal, die Motivation hinter diesem Verhalten zu klären, um dann als nächstes an einer Verhaltensänderung zu arbeiten. Ausserdem trainieren wir natürlich ab sofort den Pfötli-Knigge: Absitzen vor dem Anleinen und den Mahlzeiten, gesittetes und ruhiges Verlassen der Box sowie das entspannte Laufen an der Leine. Und zu guter letzt gehts dem jungen Mann dann noch an den Speck.

Wieviel trennt ihn denn von der Rotti-Idealfigur?
Schätzungsweise so um die fünf bis sieben Kilo.

Am Samstag wars dann endlich soweit, das erste “Date” mit Basi. Es sollte eine frostige Begegnung werden … (Fortsetzung folgt)

Der Beitrag Eine zweite Chance für Basi erschien zuerst auf Tierisch.


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